»Lasst mich mein Wasser mit dem Euren mischen«
Nun gut, die Behauptung, »Der Wüstenplanet« habe mein Denken in manchen Dingen geändert, klingt möglicherweise etwas spleenig, aber entspricht durchaus der Wahrheit. Um das zu wenigstens ansatzweise nachvollziehen zu können muss man zunächst verstehen, was das Besondere an diesem einzigartigen literarischen Werk ist.
Alles begann für mich, als ich den Film »Dune - Der Wüstenplanet« von David Lynch gesehen habe. Zugegeben, er ist sehr gewöhnungsbedürftig, wenn auch nicht so verstörend wie Lynchs andere Filme. Dennoch verstand ich nicht so recht was das alles eigentlich soll. Ein Universum das von einer Droge abhängig ist, lauter scheinbar geistesgestörte Personen die mehr denken als reden (und das wohlgemerkt in einem Film) und über allem schwebte dieses Ambiente des Ekels. Frank Herbert, der Autor der Dune-Bücher, zeigte sich damals zufrieden mit dem Film, äußerte jedoch in späteren Interviews, dass er ihn etwas oberflächlich und befremdlich fand.
Dennoch brachte der Film einen kleinen Dune-Hype hervor. Da viele Kinobesucher nicht hinter den Zusammenhang der Geschichte kamen, griffen sie zum Original-Buch. In Deutschland verkauften sich zum Zeitpunkt des Herauskommens des Films eine halbe Million Exemplare. Als Anmerkung: der Film floppte.
Ich hatte es da schon etwas schwerer. Als ich mir das Video auslieh, das war 1990, wurde das Buch scheinbar schon nicht mehr verlegt - dabei war ich wirklich begierig es zu lesen.
Ende der 90er entschloss sich der Heyne-Verlag dann eine Sonder-Jubiläums-Buchedition einiger der bedeutendsten Sci-Fi-Romane herauszugeben. Dabei durfte »Der Wüstenplanet« als anerkannter weise bestem Science-Fiction-Roman aller Zeiten natürlich nicht fehlen. Ich griff sofort zu und habe es verschlungen. Anfangs tat ich mich schwer, da in mir die Vorstellung des Ekel-Universums verankert war, die mit dem Buch absolut nichts gemein hat. Manchmal gibt es Bücher, oder auch Filme, an deren Ende man sich sagt: »Wow, was war denn das?« Ich war absolut begeistert, auch wenn ich heute nach dem dritten Lesen des Buches weiß, damals nur die Hälfte verstanden zu haben. Außerdem wird meiner Ansicht nach der erste Roman hinsichtlich der literarischen Qualität von den Nachfolgeromanen um Längen geschlagen. (Dazu später mehr)
Das Buch ist derart vielschichtig und komplex, voll von hochinteressanten Persönlichkeiten, wobei viele von ihnen irgend eine Art von Extrem darstellen. Frank Herbert schafft es ein Universum zu erschaffen das unheimlich detailliert und ausgereift ist - und das obwohl er immer wieder nur Andeutungen macht und eigentlich keine genaue Beschreibung gibt. Er konzentriert sich beim Erzählen sehr auf die Psyche der Protagonisten und deren Interagieren miteinander. Die großen Ereignisse der Handlung, die in einem Film als atemberaubende Special-Effects verwirklicht werden, werden nur am Rande erwähnt.
Auf den ersten Blick scheint die Geschichte sehr oberflächlich und abgedroschen. Ein junger Mann auf der Flucht vor Leuten, die seinen verehrungswürdigen Vater getötet und dessen Herrschaft beendet haben. Er findet Zuflucht bei Opfern seines Feindes. Diese erkoren ihn zu ihrem Anführer dem sie bedingungslos folgen - und ihn schließlich nicht nur verehren sondern vergöttlichen. Ihm ist jedoch durch seine präkognitiven Fähigkeiten von Anfang an bewusst, dass diese Vergöttlichung in einem beispiellosen blutigen Djihad gipfeln wird, den er nicht will, der aber trotzdem in seinem Namen durch das Universum zieht.
Aber In Dune darf man nicht nur die Geschichte sehen. Das ist wirklich eins der Bücher, wo man zwischen den Zeilen lesen muss. Nur wenn man »Der Wüstenplanet« wirklich GELESEN hat war man dort und hat die Wunder dieses Universums gesehen.
Die essentiellen Themen des gesamten Zyklus ist das Religionsverhalten der
Menschen und die Entwicklung von Individuen und Gesellschaften.
Die Religion stellt den Versuch des Erwachsenen dar, ein Kind zu bleiben. Sie ist das Sich-Einkapseln in die Glaubenswelt der Vergangenheit, in die Mythologie, die aus vertrauensvollen Mutmaßungen über das Universum besteht, Erklärungen von Menschen, die nach persönlicher Macht streben... all das vermischt mit Fragmenten der Erkenntnis. Und immer wieder lautet ihr ultimativer, unausgesprochener Befehl: »Du sollst keine Fragen stellen.« Aber wir stellen Fragen, und ignorieren diesen Befehl aus ganz natürlichen Gründen. Denn die Aufgabe, die wir uns gestellt haben, besteht darin, die Vorstellungskraft zu befreien und die Ketten zu zerreißen, die den Menschen an der Entfaltung seiner Kreativität hindern.
Credo der Bene Gesserit
Bezüglich des Themas Religion: Es geht darum wie sie die Menschen manipuliert aber besonders auch wie die Menschen sie manipulieren. Auch wenn Herbert die Gefahr die Religionen für ihre Anhänger aber auch für die, die in ihrem Zentrum stehen und vielleicht sogar deren Gegenstand sind, mit sich bringen anprangert, glaube, dass er ein Mensch war, der einen starken aber individuellen Glauben hatte.
Indem die Menschen, die sich zum Gegenstand einer Religion machen, zerstören sie sich selbst und die Gesellschaft. Betrachten wir doch mal warum:
Eine Gesellschaft, in der Religion und Regierung ein und dasselbe sind, sind zum Untergang verurteilt. Zum Selbstschutz werden Dogmen aufgebaut, denen zwangsläufig die menschliche Freiheit unterworfen wird.
Regierung und Religion waren eins. Brach jemand ein Gesetz, beging er gleichzeitig eine Sünde. Die offen ausgesprochene Kritik an einem Gesetz kam einer Gotteslästerung gleich. Setzte sich jemand zur Wehr war ihm das Fegefeuer gewiss und rief sofort die selbstgerechten Glaubensfanatiker auf den Plan.
Fremenführer Stilgar
Gedanken an das Erbe Muad'dibs - Paul Atreides
»Die Kinder des Wüstenplaneten«
Immer wieder spielt er mit diesem Gedanken. Als Parabel dafür wie eine Religion eine Gesellschaft beeinflussen kann nimmt Herbert das Wüstenvolk der Fremen. Eine starke, wilde Gesellschaft, die von ihren Lebensumständen geformt wurde. Sie leben in einer für Menschen absolut lebensfeindlichen Umgebung und haben in ihrer Geschichte niemals wirkliche Freiheit erlebt. Es entsteht zwangsläufig die Sehnsucht nach einem besseren Leben. Diese Sehnsucht, zusätzlich beeinflusst durch äußere Einflüsse einer Organisation, die gezielt Religionen für bestimmte Gesellschaften erschafft und Aberglauben und Mythen sät, gebiert die Prophezeiung eines Messias, der Bestandteil ihres Glaubens wird. Doch das Ergebnis als sie ihren Befreier tatsächlich bekommen bringt langfristig den Untergang für dieses Volk.
Wie einfach war doch alles, als wir von unserem Messias nur träumten.
Fremenführer Stilgar
Doch auch für den »Messias« ist sein Status ein Fluch. Durch ein jahrtausendewährendes gezieltes genetisches Zuchtprogramm besitzt er Eigenschaften, die über die Fähigkeiten aller anderen Menschen weit hinaus gehen. Zusätzlich verändert durch die Droge besitzt er nicht nur das genetische Bewusstsein aller die vor ihm waren, sondern er vermag auch die Schleier der Zeit zu durchschauen. Doch genau diese Fähigkeiten zerstören ihn letztendlich. Seine Anhänger verehren ihn deswegen. Sie tragen seine neue Religion ins Universum hinaus - allerdings mit blutigen Schwert. Und obwohl sie ihm bedingungslos ergeben sind, hat er keinen Einfluss darauf. Er muss mit ansehen wie seine Anhänger in seinem Namen auf einem Planeten nach dem anderen Massenabschlachtungen vornehmen. Die Verbreitung der Religion um seine Person ist zu einem Selbstläufer geworden und er kann sie nicht steuern oder stoppen.
Ich bin eine Gallionsfigur. Wenn die Göttlichkeit erst einmal verliehen ist, dann ist das eine Sache die der sogenannte Gott nicht mehr zu kontrollieren vermag.
Paul Atreides
Aber diese Ereignisse erfährt der Leser wie gesagt nur am Rande durch beiläufige Erwähnungen. Vielmehr
beschäftigt sich der Autor mit der Psyche seiner Protagonisten.
Im ersten Buch ist das natürlich der Fluch Pauls in die Zukunft sehen zu können. Er muss erkennen, dass er die diese Fähigkeit nicht beherrschen kann. Vielmehr beherrscht sie ihn. Die Zukunft die er sieht ermöglicht ihm nicht sie zu verändern, sondern die Zukunft erschafft seine Gegenwart. Die Wege die sich ihm offenbaren verheißen Unheil und Leid, aber auch Liebe. Er findet zwar diese Liebe, wird aber letztendlich durch die Grauen der Präkognition zerstört. Das einzige was ihn zunächst bewahrt ist die Liebe und auch sein Versuch sich und das Universum zu retten. Auch wenn er mit seinem Versuch nicht völlig scheitert, erkennt er, dass er sich opfern muss um sich zu retten.
(Wenn man es nicht gelesen hat, ist das schwer nachzuvollziehen)
Paul verändert sich. Er erkennt seine Fähigkeiten und wird von ihrer Wucht überrollt. Man kann sagen, seine Fähigkeiten sind stärker als er. Paul sieht gleichzeitig in die Vergangenheit wie in die Zukunft. Dabei verliert er jedoch die Gegenwart aus den Augen. Er kann nicht mehr zwischen den dreien unterscheiden.
Damit sind wir bei einem weiteren Eckpfeiler angelang. Die Entwicklung des Menschen als Individuum und der Menschheit. Herbert lässt einige Gruppen der Protagonisten die Ansicht äußern, die Menschen fürchten sich vor zu starken Entwicklungen. Auch wenn sie die Stagnation verurteilen, so ist sie doch die einzige Daseinsform, in der sie sich wohlfühlen. Denn Veränderung bringt Gefahren mit sich, die sie nicht abschätzen können. Das relative Gleichbleiben der aktuellen Situation garantiert eine gewisse Sicherheit, mit der man rechnen kann. Sie scheint Wohlstand zu garantieren, da man sich nicht auf unvorhergesehene Aspekte konzentrieren muss. Mangelt es jedoch an diesem Wohlstand wird natürlich nach Veränderung geschrieen. Dann, nach der Veränderung, erinnert man sich auf eine nostalgisch-verklärte Weise der alten Tage, und wünscht sie sich zurück.
Das erinnert doch durchaus an die gegenwärtige politische Situation, oder? Nach »siebenundachtzig« Jahren Kohl-CDU Herrschaft war irgendwie jeder der Meinung es müsste unbedingt einen Wechsel geben. Und nun nur vier Jahre später denken erneut viele an die Zeit vor Schröder als eine eindeutig bessere Ära zurück. Sicherheit statt Risiko.
So ist es auch in Dune. Nach 10 Jahren der neuen Herrschaft sind überall die Zeichen des Verfalls sichtbar. Paul Muad’dib weiß allerdings auch, dass sich die Menschen wehmütig an seine Ära erinnern werden.
Ebenso sein Sohn, Gottkaiser Leto II., der der Menschheit Frieden bringt, indem er ihr eine Friedhofsruhe aufzwingt. Auch er ist sich gewiss, man wird sich seiner Zeit als einem Goldenen Zeitalter erinnern wird, auch wenn sie ihn jetzt u.U. verfluchen.
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Zitate aus
»Das Haus Atreides«
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Zitate aus
»Das Haus Harkonnen«
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Zitate aus
»Das Haus Corrino«
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Dieser Text ist nicht komplett. Irgendwie schaffe ich es nicht,
das was mir eigentlich wichtig ist zu sagen. Deshalb:
... to be continued
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